Zur Sinnhaftigkeit über die Zusammenhänge zwischen dem Ukraine Krieg, der Corona-Pandemie, dem Klimawandel, der bundesdeutschen Bildungspolitik und dem Sinn von Medienbildung und -kompetenz
Ich wollte mich eigentlich nur kurz gegen die mögliche Schließung der MOK aussprechen. Das tue ich noch im weiteren Verlauf dieser Abhandlung. Zu jedem der oben in der Überschrift genannten Probleme können wir sicherlich lange unterschiedliche Meinungen austauschen. Der Leser mag sich die Frage stellen, warum hier in dieser Abhandlung mögliche Zusammenhänge globaler und nationaler Probleme angesprochen werden. Ich halte dies für das tiefere Verständnis für notwendig.
Der seit Februar dieses Jahres tobende Ukraine Krieg hält uns alle, Erwachsene wie Kinder und Jugendliche, in einem Zustand existentieller Verunsicherung gefangen, und dies ist nichts Neues, denn Kriege auf der Welt gibt es immer, und wir neigen dazu, bei einem neuerlichen kriegerischen Konflikt andere bestehende Konfliktherde zu vergessen. Oft finden wir als Erwachsene und als Eltern für unsere Kinder nur unsichere und unklare Antworten auf bestehende kriegerische Konflikte, denn es ist sicherlich auch nicht so leicht, wie wir mit solchen nahen Bedrohungen umgehen sollen. Sollen wir Waffen liefern, uns selbst als Gesellschaft und Staat in den Krieg „hineinschießen“, sollen wir uns zurückhalten und Neutralität wahren? Wegschauen können wir sicherlich nicht.
Wir sehen sie täglich, die realen Kriegsbilder, Bilder von Waffen, Tod, Schmerz, Unheil und alles, was die unsäglichen kriegerischen Auseinandersetzungen mit sich bringen, wir hören und lesen auch Nachrichten und einschlägige Meinungen über Kriege und momentan vornehmlich solche über den Ukraine Krieg, denn dieser ist vor unserer Haustür angekommen. Doch sind es Wahrheiten, die uns über die Medien erreichen und vermittelt werden?
Wahr oder fake?
Offensichtlich erscheint es sinnvoll, dass wir uns klar machen, was nun richtig und falsch ist an diesen Berichterstattungen in Wort und Bild, und wir müssen unterscheiden zwischen Information und Propaganda. Diese Unterscheidung zwischen Information und Desinformation, zwischen Wahrheit und Unwahrheit, sie fällt uns allen schwer, unterstellen wir der medialen Berichterstattung doch erst einmal, dass diese Berichterstattung die wahren Gegebenheiten widerspiegeln. Doch darauf können wir uns nicht verlassen, da Berichterstattung im Wesen immer einhergeht mit tendenzieller Meinungsmache und -steuerung. Von daher müssen wir uns und unsere Kinder und Jugendlichen in die Lage versetzen, Nachrichten so aufzunehmen und zu verarbeiten, dass sie von dem Wahrheitsgehalt der Medienberichterstattung überzeugt sind.
Kriege ächten
Über eines sollten wir uns klar sein: Ganz egal wie Krieg kommuniziert wird, Krieg ist meiner Auffassung nach abzulehnen. Die bundesdeutsche Politik reagiert pragmatisch im westlichen Bündnis. Nach anfänglicher Ablehnung militärischer Unterstützung hat sich schnell die bundesdeutsche Haltung zum Ukraine Krieg gewandelt. Bundeskanzler Olaf Scholz war zu Beginn der Debatten noch besonnen, doch dann musste er sich dem Druck aus den Reihen der FDP, den Grünen und der Unionspartei beugen und nun werden Milliarden für Rüstung ausgegeben, auch wenn jeder doch wissen müsste, wohin Rüstung führt, nämlich zur Kriegsausweitung, zu unendlichem Leid für die beteiligten Menschen, zu Vernichtung von Gütern, von Natur und Landschaft und nicht zuletzt besteht die Gefahr der Eskalation, bis hin zu einem möglichen Atomkrieg. Ich mache mir persönlich die Antwort auf die Frage nach der „richtigen Politik“ im Ukraine Krieg nicht leicht, ich frage mich nur, was wir unserer zukünftigen Generation sagen sollen, denn sie werden die wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Folgen und Lasten des Krieges tragen müssen. Ich meine, wir können sie nicht in dieser Hoffnungslosigkeit allein lassen. Neben der Familie ist es die Aufgabe der Schule, Kindern und Jugendlichen zu diesen unendlich schmerzlichen Auswirkungen von Krieg die Antworten zu geben, die sie benötigen. Aber was haben wir Erwachsene, Eltern und Lehrer*innen in einer Welt der mediengesteuerten Information zu bieten?
Ein kurzer Blick auf die Corona-Pandemie
Seit Dezember 2019 begleitet uns die Corona-Pandemie, heute scheint sie vergessen und alles scheint normal zu sein. Was diese Pandemie bei uns an gesellschaftliche Kluften geschaffen hat, geht ins Unermessliche, ein Unheil und eine Herausforderung an unsere Gesellschaft, die von einem Virus ausging und in Deutschland bis heute über 138 000 Opfer gefordert hat, ein Virus, der uns als Gesellschaft gespalten hat. Menschen werden gegeneinander aufgehetzt, radikale und undemokratisch gesinnte Menschen propagieren im Internet den Tod von Politikern, ein junger Mann musste sogar sterben, nur weil er einen Tankstellenkunden darum bat, die Mund- und Nasenmaske zu tragen. Jeder von uns sollte in Demut an all die Opfer denken, die diese Pandemie gefordert hat und noch weiterhin fordern wird. Und in dieser Art gewöhnt uns täglich die Medienberichterstattung über den Ukraine Krieg an die Verwüstung und die zunehmende Anzahl von Opfern unter den Soldaten und der Zivilbevölkerung.
Bundesdeutsche Bildung
Unser recht überkommenes Bildungssystem kam während der zurückliegenden drei Jahre der Corona-Pandemie nicht so recht mit dieser zurecht. Zu eng war der Blick der Politik und die Kultusminister*innen der Länder besannen sich eher auf ihr technokratisches Regelwerk bildungspolitischer Ausrichtung. Schließlich mussten in deren Sinne ja die bundesdeutschen Bildungsstandards erreicht werden. Meine Frau und ich als Eltern unseres seinerzeit schulpflichtigen Sohnes haben miterleben müssen, wie ohnmächtig Schule, Lehrer*innen der Corona-Pandemie ausgesetzt waren, selbst gelähmt und passiv reagierten, lediglich nur das abhandelten, ohne einen gewissen Blick auf die erschwerten Verhältnisse, denen Eltern, Kinder und Lehrer*innen ausgesetzt waren und sind. Die Folgen und Auswirkungen wie die Überforderung bei Eltern und Lehrer*innen nehmen wir genauso wahr wie die psychischen und seelischen Probleme bei Kindern und Jugendlichen. Während der letzten drei Jahre, geprägt von temporären Schulschließungen und Distanzunterricht, wurde vor allem argumentiert, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie für die im Erziehungssektor Arbeitenden neu waren und uns alle unvorbereitet trafen. Das ist richtig, doch als Erklärung und Entschuldigung aus meiner Sicht nicht akzeptabel. Zum einen ist der Ruf nach digitaler Bildung nicht erst drei Jahre her, zum anderen müssten Bildungssysteme darauf ausgerichtet sein, neuerliche Herausforderungen frühzeitiger zu erkennen und vor allem Strategien von Konfliktbewältigung von Lehrenden und Lernenden zu erwarten. Ein anderer Anteil von Lehrer*innen, Eltern und Kindern, sie haben gezeigt, dass sich Schule unvorhersehbaren Bedingungen anpassen und entwickeln kann, um die schwierigen Situationen während der Corona-Pandemie zu meistern. Dies möchte ich hier nicht unerwähnt lassen. Insgesamt fehlt jedoch vor allem der Blick auf die zukünftige Bildungsaufgabe von Schule, obwohl die Kultusministerkonferenz dies schon Ende des Jahres 2016 deutlich formuliert hat.
Die digitalen Medien
Ein Beispiel aus den letzten Tagen, so zynisch es auch erscheinen mag: Viele Kinder der seit Monaten aus der Ukraine geflüchteten Familien können im bundesdeutschen Bildungswesen noch nicht unterrichtet werden und doch haben sie noch schulischen Anschluss, denn ihre noch in Kiew verweilenden Lehrer*innen schaffen es, sie im Online-Unterricht zu begleiten. So manche von uns wird dies nachdenklich machen. Ich selbst war lange Jahre in der Fachberatung der Medien- und Digitalbildung tätig und vor mehr als 15 Jahren unterrichtete ich schon im Online-Modus. Lange vor und mit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz aus dem Jahre 2016 dachten wir, die Grundlagen einer fachlichen, einer didaktisch und pädagogisch sinnvollen Ausrichtung von Bildung schaffen zu können, doch dies hat sich leider nicht erfüllt, zumindest nicht in dem Umfang, wie Bildung auf die Bewältigung anstehender Herausforderungen global gespalteter Gesellschaften hätte reagieren müssten. Wir können ja nicht einfach so tun, als wäre einer der vielen weltweit existierenden militärische Konflikte oder der momentan hochbrisante Krieg in der Ukraine etwas Normales. Betrachtet man die Medienberichterstattung zu dem Ukraine Krieg, so erscheint es, als seien die Nachrichten über Tod und Verderben genau so normal wie die den Kriegsnachrichten folgenden Werbespots von Jeanshosen, die für billiges Geld in Kinderarbeit in Sri Lanka produziert werden. Wir machen uns Gedanken darüber, dass Kinder und Jugendliche im Sumpf des Internets untergehen, Wahrheiten von Fakes nicht unterscheiden können, derweil wir Erwachsenen unseren Kindern genau diese Welt des Scheins vorleben. Der deutsche Bundesminister für Verkehr und Digitales Volker Wissing mahnt uns, nicht so viel Food-Selfies zu fotografieren und zu posten, denn dies benötige unendlich viel Energie. Grundsätzlich hat er recht, denn die Digitalisierung benötigt sehr viel Energie, doch scheint mir der Verzicht auf das Food-Selfie ein recht schlechtes Beispiel zu sein. Auf der anderen Seite wird eine nachhaltige Verkehrspolitik und der Rückgang der Co2-Emissionen propagiert, doch nach neuesten statistischen Veröffentlichungen ist jeder zehnte zugelassene PKW ein SUV. Ein radikales Umdenken bleibt momentan aus und die Natur und ihre Ressourcen werden weiter radikal ausgebeutet. So lang dies so ist, so lang wird es auch Kriege geben, die schließlich wirtschaftliche und geopolitische Vorteile versprechen. Wir haben erkannt, dass digitale Medien weit mehr an Informationen, Wissen und Meinungen zur Verfügung stellen und produzieren und weltweit ein großes Publikum erreichen. Dies bietet Chancen, jedoch auch viele Risiken sind die Folge. Wenn die digitalen Medien das Weltgeschehen so stark beeinflussen und beherrschen, so muss Bildung in ihrer schulischen Ausrichtung reagieren und Antworten finden. Eine kritische und vertiefende Auseinandersetzung mit den durch die digitalen Medien verbreiteten Inhalte muss in die Schulfächer Eingang erhalten, denn Erziehung im Umgang mit digitalen Medien in diesem Sinne ist als eine Erziehung im Sinne von ethischen und demokratischen Grundprinzipien zu verstehen. Wir alle, Erwachsene und Kinder, wir müssen uns als handlungsfähige Mitglieder dieser Gesellschaft sehen, die sich im humanistischen und demokratischen Sinne verstehen. Digitale Medien nehmen in diesen globalen Zusammenhängen eine wichtige Rolle ein. Unsere Kinder werden die Zukunft gestalten und die Verantwortung dafür übernehmen, was wir ihnen hinterlassen. Sie müssen die Welt, und somit auch die Medienwelt, so verstehen und so gestalten können, dass die Welt in ihrer Globalität wirtschaftlich nachhaltig, ökonomisch, ökologisch und demokratisch zu existieren im Stande ist und die noch existierenden Autokraten und andere Tyrannen dieser Welt merken, dass sie keine Chance haben, ganze menschliche Gesellschaften beherrschen zu können. Medienprojektzentren Ein sinnvolles Instrument breitgefächerter und demokratischer Bildung sind unter anderem auch die Angebote der Medienprojektzentren Offenen Kanäle (MOK).
Medienprojektzentren Offene Kanäle (MOK)
Die MOK müssen einen demokratisch gefestigten Platz bekommen, denn sie bieten beispielsweise im Bürgerfernsehen ein Reichtum an demokratischer Ausrichtung, sie sind Multiplikator in der oben erwähnten Medienerziehung unserer Kinder und Jugendlichen. Schule kann viel von den Angeboten und Inhalten der Medienprojektzentren lernen, sie in Anspruch nehmen, Sprachrohr nicht nur der Jugend sein, denn sie sind nicht markt- und gewinnorientiert und dienen der Gesamtheit der gesellschaftlichen Mitglieder. Die Mitarbeiter der MOK verfügen über die Medienbildungskompetenz, die den meisten Bildungsverantwortlichen, wie auch Lehrer*innen, fehlen. Die von der Landesregierung geplante Neuordnung des Hessischen Gesetzes über Privatrundfunk und neue Medien kann nicht einfach in die Richtung gehen, aus den in der Fläche gut aufgestellten vier MOK ein einziges MOK zu machen. Das wäre mehr als fatal, zutiefst undemokratisch und würde ganze Landesteile benachteiligen. Auch eine Umwandlung der MOK zu reinen Offenen Kanälen wäre ein erheblicher Rückschritt, denn in Hessen wird die Kombination aus Lokalem Bürgerfernsehen und Medienkompetenzförderung benötigt. Die MOK müssen erhalten bleiben, gestärkt werden und deren Ausrichtung und Arbeit muss verpflichtend in die öffentliche, freie und staatlich organisierte Bildungsarbeit übernommen werden.
Reinhard Mehles